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BGH, Urteil vom 31. Januar 2003

BGH-Urteil vom 31. Januar 2003, Az. V ZR 143/02

Leitungsduldungspflicht aufgrund nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses

Der Bundesgerichtshof hat noch einmal betont, dass sich die Verpflichtung zur Duldung einer Leitung nicht nur aus § 8 der AVB, aus Grunddienstbarkeiten und anderen herkömmlichen Instrumenten des Grundstücksrechtes ergeben kann, sondern auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entstehen kann.

1953 wurde auf einem Hangareal eine kleine Siedlung an mehreren Stichstraßen errichtet. Von einem der hangabwärts liegenden Häuser wurde eine Abwasserleitung fortgeführt, in die auch die anderen Häuser ihr Abwasser einspeisten. In den 70er Jahren wurde das Gelände an einen Immobilienhändler verkauft und von diesem parzelliert. Einzelne dieser Häuser wurden später an die Beklagte verkauft. Eines der am Fuß des Hanges gelegenen Grundstücke wurde an den Kläger verkauft. Bei der Aushebung der Baugrube des Klägers im Jahre 2000 stieß er auf das Abwasserrohr. Er ließ das Rohr umlegen, um die Baugrube ausheben zu können. Dann verlangte er Erstattung der Kosten für die Rohrumlegung und die Entfernung des Rohres. Das Landgericht wies eine entsprechende Klage ab. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Entfernung der Leitungen verurteilt, den Zahlungsanspruch aber abgewiesen. Der Beklagte hat Revision eingelegt und verlangt, die Verurteilung zur Entfernung des Rohres aufzuheben.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts zur Entfernung des Rohres aufgehoben und ausgesprochen, dass das Rohr nicht entfernt werden muss. Zwar ergibt sich aus § 1004 BGB in vielen Fällen ein Anspruch auf Entfernung fremden Eigentums vom eigenen Grundstück. Hier besteht aber eine Duldungspflicht nach den Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Dieses nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich aus §§ 905 ff BGB, den Nachbarrechtsgesetzen der Länder und vor allem aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Danach sind Nachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Dazu gibt es eine lange Rechtsprechungstradition. Im Allgemeinen werden die nachbarrechtlichen Sonderregelungen ausreichen, so dass die Pflicht zur Rücksichtnahme eine Ausnahme darstellt. Diese Ausnahme ist dann gegeben, wenn die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen, um zu einem billigen Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen zu führen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Ausübung des Rechtes gemäß § 1004 BGB unzulässig.

Die Duldungspflicht ergibt sich nicht nur aus den Besonderheiten des Falles, sondern auch aus dem zeitlichen Ablauf, aus dem der Beklagte ableiten durfte, dass das Rohr auch in Zukunft wird liegen bleiben können.

Die Entscheidung ist zu einem Abwasserrohr ergangen, die Entscheidung kann allerdings mit aller gebotenen Vorsicht auch auf Fernwärme-Fallgestaltungen angewendet werden. Entsprechende Fälle mögen sich besonders aus späteren Parzellierungen von ursprünglich einheitlichen Grundstücken ergeben. Solche Fallgestaltungen können insbesondere in den neuen Bundesländern nach der Aufspaltung von Kombinaten u. ä. vorliegen.