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Bundesrat beschließt neue FFVAV und weitreichende Änderungen der AVBFernwärmeV

01.07.2021
Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause die Novelle der FFVAV und der AVBFernwärmeV beschlossen. Nach der Verkünduing der neuen Verordnungen im Bundesgesetzblatt treten die Änderungen alsbald und ohne Übergangsvorschrift in Kraft. Die Novelle bringt weitreichende Änderungen für das Fernwärmevertragsrecht mit sich. Eine erste Analyse zeigt, dass damit Licht und Schatten für die Branche verbunden sind.

In einem Husarenritt stürmte der Bundesrat am 25. Juni 2021 auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause durch die Agenda von 135 Tagesordnungspunkten. Ganze zwei Minuten nahm er sich Zeit, um über weitreichende Änderungen abzustimmen, die den Fernwärmesektor betreffen. Wie bereits berichtet, ging es dabei nicht mehr nur noch um die bloße Umsetzung europäischer Vorgaben zu Mess-, Abrechnungs- und Verbrauchsinformationspflichten in der neuen FFVAV. Auch grundlegende Fragen der AVBFernwärmeV, über die die Bundesregierung erst nach umfassender Beratung hatte  entscheiden wollen, brachte der Bundesrat im Windschatten der FFVAV mit auf den Weg. Nach der Verkündung der neuen Verordnungen im Bundesgesetzblatt treten die Änderungen alsbald und ohne Übergangsvorschrift in Kraft.

Eine allgemeine Bewertung des neuen Gesetzeswerks für die Branche fällt nicht leicht. Vielmehr bringen die Änderungen sowohl Licht als auch Schatten. Für die neue FFVAV bedeutet dies gegenüber dem Verordnungsbeschluss der Bundesregierung (dazu BR-Drs. 310/21) insbesondere Folgendes: Die Definitionen der Begriffe „Fernwärme“ und „Fernkälte“ werden mit dem Vorbild des Begriffsverständnisses der AVBFernwärmeV harmonisiert und erfassen nunmehr auch Wärme-Contracting. Damit bestehen gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen leitungsgebundener Fernwärme und Wärme aus Contracting-Anlagen. In Hinblick auf die Messpflichten ist zu bedauern, dass der Bundesrat einer vom AGFW befürworteten Verschiebung der Einbaupflicht fernablesbarer Zähler nicht gefolgt ist. Ganz im Gegenteil werden in Bezug auf den Einbau fernablesbarer Zähler künftig zusätzliche Vorgaben gelten: Diese Geräte müssen interoperabel sein, die BSI-Schutzprofile einhalten sowie den Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes genügen, sofern sie an ein Smart Meter Gateway angebunden sind. Will das Fernwärmeversorgungsunternehmen die aus der Installation fernablesbarer Zähler resultierenden Kosten an seine Kunden weitergeben, muss es über die Höhe der damit verbundenen Kosten genaue Auskunft gegeben. Positiv zu bewerten sind hingegen Klarstellungen zum Ort der Messeinrichtungen (innerhalb der Übergabestation) und bei der Dampfmessung (Messung des rückgeführten Kondensats). Was die künftigen Informationen über die energetische Qualität betrifft, müssen nunmehr die Bestandteile des Gesamtenergiemixes prozentual aufgeschlüsselt und jährlich aktualisiert werden. Im Ergebnis gehen damit die einzelnen Regelungen der FFVAV zum Teil weit über die europäischen Vorgaben der Energieeffizienz-Richtlinie und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie hinaus.

Ein ähnlich durchwachsenes Bild zeigt sich bei der AVBFernwärmeV. Positiv fällt auf, dass in Hinblick auf die Messpflichten die bislang in § 18 Abs. 1 S. 2 bis 4 AVBFernwärmeV geregelten und von der Bundesregierung ersatzlos gestrichenen Ersatzverfahren aufrechterhalten werden. Damit kann der Verbrauch der Mieter bei Mieterdirektverträgen wie gehabt mit Hilfe von  Heizkostenverteilern anstelle von Wärmemengenzählern erfasst werden. Zu begrüßen ist außerdem, dass die Möglichkeit, lange Laufzeiten nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV zu vereinbaren, weiterhin erhalten bleibt. Anderenfalls wäre die Investitions- und Planungssicherheit – sowohl für den Versorger als auch für den Kunden – in Gefahr geraten.

Rückschläge gibt es indes für zwei praktisch eminent wichtige Aspekte:

Der Kunde hat nunmehr einen rechtlich verbrieften Anspruch auf Anschlusswertreduzierung während der Vertragslaufzeit. In der Praxis haben viele Fernwärmeversorgungsunternehmen zwar bereits im Wege der Kulanz einvernehmliche Regelungen mit ihren Kunden getroffen, dabei aber häufig festgestellt, dass Kunden ihren Wärmebedarf unterschätzt haben. Hat der Kunde nunmehr einen Rechtsanspruch, wird sich die Vertragspraxis zukünftig darauf einzustellen haben, den Anschlusswert möglichst exakt festzustellen und technisch mit Hilfe von Durchflussbegrenzern durchzusetzen.

Außerdem ist es den Fernwärmeversorgungsunternehmen künftig untersagt, ihre Preisänderungsklauseln im Wege der öffentlichen Bekanntgabe an die neuen Verhältnisse anzupassen. Dieses Instrument war bislang Mittel der Wahl, um Preisänderungsklauseln schnell und für alle Kunden einheitlich an eine veränderte Erzeugungs- oder Beschaffungssituation anzupassen. Diese Begrenzung ist höchst bedauerlich, unterlag doch der Bundesrat mehreren Missverständnissen: Zum einen unterscheidet er nicht präzise zwischen einer Preisänderung einerseits und einer preisneutralen Anpassung der Preisänderungsklausel andererseits. Zum anderen sieht er Preisänderungsklauseln als ausschließliches Instrument der Preiserhöhung und übersieht dabei die Möglichkeit, bei sinkenden Brennstoff- und Wärmebezugspreisen Preissenkungen an die Kunden weiterzugeben. Damit müssen Fernwärmeversorgungsunternehmen künftig mit Angeboten von Nachtragsvereinbarungen auf ihre Kunden zugehen oder, wenn Kunden diesen nicht zustimmen, mit Änderungskündigungen agieren. Da ordentliche Kündigungen wegen der langen Vertragsbindung nur in Einzelfällen eine zügige Umstellung der Preisänderungsklausel ermöglichen, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Zulässigkeit außerordentlicher Kündigungen. Diese Frage wurde bislang noch nicht von der Rechtsprechung beantwortet. Damit tut sich für die Zukunft ein weiteres streitträchtiges Problem auf.

 

 

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