Stärkere Regulierung der Fernwärme kontraproduktiv für die Wärmewende – für Klimaschutz Ausbau und Transformation nötig
Dazu AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch: „Im Rahmen des Fernwärme-Gipfels mit der Bundesregierung vor einem Jahr haben wir uns auf einen deutlichen Ausbau und die Transformation der Fernwärme verständigt. Die dafür notwendigen, hohen Investitionen in die Wärmenetze und deren Versorgung mit klimaneutralen Energien können die Unternehmen nur auf Basis stabiler Rahmenbedingungen bewältigen. Eine stärkere Regulierung der Fernwärme würde die Ausbauziele gefährden und wäre kontraproduktiv für die Wärmewende. Wir dürfen Investitionen in zukunftsträchtige und klimafreundliche Fernwärmesysteme nicht abwürgen, sondern wir müssen alles dafür tun, dass diese große Anstrengung gelingen kann.“
Fernwärmepreise werden bereits jetzt schon intensiv überwacht, etwa über eine kartellrechtliche Kontrolle der in Rechnung gestellten Preise (§§ 19 und 29 GWB) und auch mittels einer vertragsrechtlichen und kartellrechtlichen Kontrolle der Preisanpassungsmechanismen (Preisänderungsklauseln). Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden haben der Fernwärmebranche regelmäßig bescheinigt, dass es kein überhöhtes Preisniveau gibt. Einzelne, vom Bundeskartellamt untersuchte Preisänderungsklauseln, die wegen ihrer sehr starken Bindung an Erdgaspreise kurzzeitig zu außergewöhnlich hohen Preisen geführt hatten, sorgen nach Abklingen der Gaskrise für besonders günstige Preise. Allgemein ist damit zu rechnen, dass sich alsbald auf Grundlage der bewährten Preisänderungsklauseln die Fernwärmepreise wieder einpendeln werden. Im Übrigen zeigt ein Vergleich mit anderen Ländern, wie Dänemark, dass eine intensive Preisaufsicht nicht zu niedrigen Preisen führt.
Die Verbraucherschutzminister der Länder bitten den Bund unter anderem darum, eine „Entflechtung von Netzbetrieb und Wärmeerzeugung nach dem Vorbild der Gas- und Elektrizitätsnetze zu prüfen.“ Der AGFW steht einer solchen Forderung kritisch gegenüber, sagt Werner Lutsch: „Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Mechanismen aus dem Strom- und Gassektor funktionieren bei der Fernwärme nicht. Sie ist eine lokale Dienstleistung und kein national gehandeltes Produkt. Eine Öffnung der Netze würde nicht zu sinkenden Preisen führen.“ Ganz im Gegenteil: Die Entflechtung bringt erhebliche administrative Kosten und Synergieverluste mit sich. Das haben bereits Untersuchungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der „Sektoruntersuchung Fernwärme“ des Bundeskartellamts vor einigen Jahren bewiesen. Dasselbe Bild zeigt sich in Europa. Länder, die bereits einen hohen Ausbaugrad an Fernwärme haben, wie Schweden und Finnland, haben bewusst auf eine Regulierung ihres Fernwärmesektors verzichtet, um den weiteren Aus- und Umbau nicht abzuwürgen. Hingegen sorgen aktuelle Regulierungsdebatten in Ländern, bei denen der Marktanteil der Fernwärme noch verschwindend gering ist, für massive Unsicherheit in der Branche. Dort unterbleibt der dringend benötigte Ausbau der Fernwärme.
Ebenso hilft die Debatte um gesetzliche Drittzugangsansprüche zu Wärmenetzen nicht weiter. Wärmenetzbetreiber suchen bereits aus eigenem Antrieb händeringend nach Wärme aus erneuerbaren Energien oder aus Abwärme, um sie in ihre Fernwärmesysteme zu integrieren. Die neuen Anforderungen an die Dekarbonisierung der Netze nach dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) tun ihr Übriges. Dort, wo die Einbindung von Wärme aus Drittquellen technisch machbar, ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, wird sie schon immer praktiziert. Seit jeher stammen etwa 20 % der Wärme, die in deutschen Fernwärmesystemen transportiert wird, aus Drittquellen.
Weitaus wichtiger als stetig neue Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Fernwärme seien stabile Förderkonditionen für die Unternehmen, erklärt der Verbandschef: „Wir können es uns als Land in der aktuellen Phase der Energiewende nicht erlauben, ein System mit so viel Potenzial wie die Fernwärme zu zerreden. Wir ersticken mit solchen Debatten die Investitionsbereitschaft der Branche. Was die Fernwärmeversorger in ganz Deutschland, darunter viele Stadtwerke, wirklich benötigen, sind ausreichende Mittel für den Ausbau und die Transformation. Dazu wäre eine Erhöhung und Verstetigung der Mittel aus der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) ein wichtiger Schritt.“
Außerdem sind stabile Rahmenbedingungen im Vertragsrecht unerlässlich. Kein Fernwärmeversorgungsunternehmen wird das Wagnis auf sich nehmen, unter immensem Aufwand neue Kunden zu erschließen, wenn diese kurzfristig das Vertragsverhältnis beenden können. Kein Kunde wird attraktive Wärmepreise erwarten können, wenn Fernwärmeversorgungsunternehmen Risiken aus einem unausgewogenen Vertragsrecht in ihre Preisangebote einkalkulieren müssen. Daher ist es bei der anstehenden Novelle der AVBFernwärmeV erforderlich, dass soweit möglich auf einseitige Sonderrechte des Kunden (Leistungsanpassungs- und Sonderkündigungsrechte) verzichtet wird. Auch wenn solche Rechte kurzfristig im Interesse der Kunden stehen mögen, können sie langfristig zu einer Entsolidarisierung der Kunden und Gefährdung der Versorgungssicherheit führen.