Aktuelles aus dem Bereich

Energiewirtschaft, Recht & Politik / Energiewende & Politik / Aktuelles aus dem Bereich

Bundestag verabschiedet Wärmeplanungsgesetz

17.11.2023
Der Bundestag hat am 17.10. mit den Stimmen der Regierungsfraktionen das Wärmeplanungsgesetz (WPG) verabschiedet. Was kommt damit auf die Fernwärmebranche zu und welche Änderungen gegenüber dem Entwurf der Bunderegierung haben es in den finalen Gesetzestext geschafft?

Was bringt das WPG?

Das verabschiedete Gesetz besteht aus zwei Abschnitten mit vollkommen unterschiedlichen Adressatengruppen. Während der erste Abschnitt die Bundesländer verpflichtet eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung (kWP) mit vorgeschriebenen Mindeststandards einzuführen, führt das Gesetz mit dem zweiten Abschnitt Anforderungen für die Betreiber von Wärmenetzen ein.

Kommunale Wärmeplanung

Das Gesetz sieht vor, dass alle Kommunen verpflichtet werden, eine kommunale Wärmeplanung durchzuführen. Die Frist richtet sich nach der Größe der Gemeinde. Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohnern müssen den Plan bis Mitte 2026 vorlegen, währen kleinere Gemeinden zwei Jahre länger Zeit bekommen.

Wärmenetzbetreiber werden als zentrale Akteure der Wärmeplanung berücksichtigt. Die planungsverantwortliche Stelle muss Betreiber von bestehenden Wärmenetzen an der Planung beteiligen, wenn ihr Netz in dem zu beplanenden Gebiet liegt oder sie als Betreiber eines neu zu errichtenden Wärmenetzes potenziell in Betracht kommen (§ 7 Abs. 2). Andererseits sind Wärmenetzbetreiber zur Mitwirkung verpflichtet. Im Rahmen der Erhebung für die Potenzial- und Bestandsanalyse sind sie zur Auskunft über relevante Daten verpflichtet (§ 11 Abs. 1) und müssen ihre Planungen über den Aus- und Umbau teilen (§ 8 Abs. 1), um sie in der Wärmeplanung zu beachten. Außerdem wird Wärmenetzbetreibern die Möglichkeit eingeräumt, Vorschläge über potenzielle durch Wärmenetze zu versorgende Gebiete zu machen (§ 18 Abs. 4).

Im Laufe der Wärmeplanung soll das zu beplanende Gebiet in Teilgebiete – sogenannte voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete – eingeteilt werden, und für diese festgehalten werden, welche Wärmeversorgungsart sich besonders eignet (§ 18 Abs. 1). Dazu soll u. a. dargestellt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Teilgebiet für eine Versorgung über ein Wärmenetze geeignet ist (§ 19 Abs. 2). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Wärmeplanung können Gebiete zum Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen ausgewiesen werden. Eine solche Ausweisung hat Auswirkungen darauf, ab wann die viel diskutierte Anpassung des GEG effektiv in Kraft tritt und soll darüber hinaus auch im Rahmen der Aufstellung von Bauleitplänen oder anderen flächenbedeutsamen Planungen berücksichtigt werden.

Anforderungen für Wärmenetzbetreiber

Im zweiten Abschnitt des Gesetzes werden erstmals konkrete Anforderungen an individuelle Wärmenetzbetreiber eingeführt. So wird das sich bisher lediglich aus dem Klimaschutzgesetz implizit ergebende Ziel der vollständigen Klimaneutralität bis 2045 auch für Wärmenetze explizit formuliert. Bis zu diesem Zeitpunkt muss jedes Netz vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden.

Außerdem werden Zwischenziele für den Anteil der Wärmenetzeinspeisung aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme eingeführt. Ab 2030 müssen Netze zu mindestens 30 % aus diesen Quellen gespeist werden. Dieser Anteil muss im Laufe der 2030er so ansteigen, dass 2040 ein Anteil von mindestens 80 % erreicht wird. Um der Heterogenität der mehr als 3.800 bundesweit vorhandenen Wärmenetze gerecht zu werden, sieht der Entwurf Optionen zur Verlängerung dieser Fristen vor. Die Frist zur Erreichung des Zwischenziels für 2030 kann unter folgenden Umständen um fünf Jahre verlängert werden:

  • Nachweis, dass die Vorgaben aufgrund besonderer Umstände, unangemessenem Aufwand oder unbilliger Härte nicht eingehalten werden können (§ 29 Abs. 2)
  • Verzögerung einer komplexen Maßnahme durch aufwändige Planungs- oder Genehmigungsverfahren (§ 29 Abs. 3)
  • Netz, das zu mind. 70 % aus nach KWKG geförderten Anlagen gespeist wird (§ 29 Abs. 5)

Die Anforderungen an neue Wärmenetze, deren Bau ab April 2025 begonnen wird, liegen erheblich höher als die an bereits bestehende Netze. Sie müssen von Beginn an zu mindestens 65 % aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden (§ 31 Abs. 1).

Betreiber bestehender Netze sind außerdem verpflichtet bis 2027 einen detaillierten Plan zum Ausbau und der Dekarbonisierung des Netzes zu erstellen und online zu veröffentlichen (§ 32 Abs. 1). Die Pflicht entfällt, wenn bis Ende 2025 ein Förderantrag für einen BEW-Transformationsplan gestellt wurde oder ein ungeförderter Transformationsplan bis Ende 2026 gebilligt wurde.

Welche Änderungen enthält das Gesetz?

Die Parlamentarier haben gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung aus dem August (AGFW berichtete) eine Reihe von Anpassungen vorgenommen, die die Fernwärmebranche direkt betreffen. Die relevantesten Änderungen dürften die Aufnahme des überragenden öffentlichen Interesses des Fernwärmeausbaus und die vollständige Anerkennung der Wärme aus der thermischen Abfallbehandlung (TAB) sein. In beiden Fällen wurde auf Regelungen zurückgegriffen, die bereits im ursprünglichen Referentenentwurf aus dem BMWK enthalten waren und im Rahmen der Ressortabstimmung verändert wurden. Nachfolgend haben wir die Änderungen für Sie in chronologischer Reihenfolge aufgeführt.

Die Bedingung, dass es sich erst dann um ein Wärmenetz handelt, wenn Wärme über die Grundstücksgrenze der Erzeugungsanlage geliefert wird, entfällt (§ 2 Nr. 17). Damit wird klargestellt, dass es sich, unabhängig von der Eigentümerstruktur, bei jedem Netz, dass die Größengrenzen für Gebäudenetze (weniger als 16 versorgte Gebäude oder 100 Wohneinheiten) überschreitet, um ein Wärmenetz handelt, das vom WPG erfasst wird. Praktische Auswirkungen dürfte dies z. B. für Inselnetze zur Versorgung von Wohnungsbaugesellschaften oder Universitäten haben. Netze zur ausschließlichen Versorgung von gewerblichen und industriellen Kunden sind weiterhin von den Anforderungen an Betreiber bis 2030 ausgenommen (§ 29 Abs. 4).

Eine zentrale Änderung besteht in der Wiederaufnahme des überragenden öffentlichen Interesses des Wärmenetzausbaus und der Errichtung erneuerbarer Wärmeerzeugungsanlagen, die in Wärmenetze einspeisen (§ 2 Abs. 3). Ein nahezu gleichlautender Absatz hatte zwischenzeitlich Eingang in einen Referentenentwurf für die Anpassung des EnWG gefunden. Der AGFW hat dafür plädiert, dass die Regelung, wie ursprünglich vorgesehen, im WPG besser aufgehoben sei. Sie soll laut Begründung zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen beitragen, indem Schutzgüterabwägungen zugunsten des Wärmenetzausbaus ausfallen. Konkrete Beispiele für Abwägungsentscheidungen, für die dies der Fall sein soll, sind Entscheidungen gegenüber Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild oder Denkmalschutz sowie forst-, immissionsschutz-, naturschutz-, bau- oder straßenrechtlichen Abwägungen.

Eine weitere Änderung, die der AGFW in seinen Stellungnahmen wiederholt gefordert hat, betrifft die Gleichstellung aller Abfallmengen mit unvermeidbarer Abwärme (§ 3 Abs. 4 Nr. 1a)). Die einschränkende Regelung, dass nur Wärme aus der thermischen Behandlung überlassungspflichtiger Abfallmengen mit unvermeidbarer Abwärme gleichgesetzt wird, ist entfallen. Damit kann die gesamte Wärme aus TAB-Anlagen zur Erfüllung der Mindestquoten für erneuerbare Wärme oder unvermeidbare Abwärme herangezogen werden.

Die Möglichkeiten, um im Rahmen einer verkürzten Wärmeplanung nach § 14 Abs. 2 Wärmenetze ohne weitere Prüfung von vorhinein auszuschließen, wurden erheblich eingeschränkt. Während es laut dem Entwurf der Bundesregierung dafür bereits genügt hätte, dass in dem Gebiet bislang kein Wärmenetz vorhanden ist, wurde nun eine zusätzliche Bedingung eingeführt. Demnach muss geprüft werden, ob „konkrete Anhaltspunkte für nutzbare Potenziale für Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme […], die über ein Wärmenetz nutzbar gemacht werden können“, bestehen.

Durch eine sprachliche Klarstellung wurde verdeutlicht, dass KWK-Wärme nur dann als Alternative für den Mindest-EE- oder Abwärmeanteil anrechenbar ist, wenn die damit verbundene KWK-Strommenge einen Anspruch auf KWKG-Förderung hat (§ 29 Abs. 5). Das bedeutet, dass ab 2030 mindestens 70 % der Nettowärmeerzeugung im Wärmenetz aus fossil betriebenen KWK-Anlagen stammen müssen, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt KWKG-Förderung erhalten. Nur so können diese Anlagen als alternative Erfüllungsoption gelten.

Neue Wärmenetze, deren Bau ab 2024 begonnen wird, müssen am März 2025 zu mindestens 65 % aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden (§ 30 Abs. 1). Damit wird Ihnen vierzehn Monate mehr Zeit eingeräumt diesen Wert zu erreichen, als im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen.

Für den Einsatz von Biomasse in Wärmenetzen sieht das finale Gesetz Erleichterungen gegenüber dem Gesetzesentwurf vor. Die maximalen Biomassequoten für Netze mit einer Trassenlänge zwischen 20 und 50 km sind weggefallen (§ 30 Abs. 2 & § 31 Abs. 2). Während für Netze kleiner als 20 km ohnehin keine maximalen Quoten vorgesehen waren, gelten sie für Netze mit einer Trassenlänge von mehr als 50 km unverändert (Bestandsnetze max. 15 % in 2045). Neu aufgenommen wurde hingegen eine Ausnahme, nach der die Wärmemenge aus Anlagen, die bis 2023 genehmigt wurden, von dieser maximalen Biomassequote ausgenommen werden (§ 31 Abs. 2).

Die Pflicht zur Erstellung der Wärmenetzausbau- und -dekarbonisierungsfahrpläne wird mit dem Gesetz ergänzt, um eine Pflicht diese Fahrpläne alle fünf Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren (§ 32 Abs. 1). Die Frist zur Aktualisierung orientiert sich dabei an den Zeiträumen zur Überprüfung der kommunalen Wärmepläne.

Das vollständige Dokument mit allen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf finden Sie auf der Webseite des Bauausschusses des Bundestages.

Ihre Ansprechpartner
Johannes Dornberger
Energiewirtschaft & Politik
+49 69 6304-212
+49 69 6304-455