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Osterpaket von Bundestag und Bundesrat verabschiedet

11.07.2022
Während der letzten regulären Sitzungswochen des Bundestages vor der Sommerpause wurde eine Vielzahl von Anpassungen an energierechtlicher Gesetze und Verordnungen erlassen. Obwohl der Fokus einmal mehr auf dem Stromsektor lag, enthalten die Vorhaben auch wichtige Änderungen für die Fernwärmebranche.

Was wurde verabschiedet?

EnWG

Um den, für den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, notwendigen Ausbau der Stromnetze voran zu treiben wurde u. a. das Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) angepasst. Im Rahmen dieser Änderung wurde auch eine Nachfolgeregelung für das Instrument „Nutzen statt Abregeln“ nach § 13 (6b) eingeführt. Ziel ist es, erneuerbare Strommengen, die andernfalls abgeregelt werden müssten, zur Wärmeerzeugung in Power-to-Heat Anlagen einzusetzen und gleichzeitig die Stromerzeugung aus einer zugehörigen KWK-Anlage zu reduzieren. An die Stelle der bilateralen Verträge zwischen Anlagenbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber tritt ab 2023 eine Ausschreibung für zuschaltbare Lasten, über deren Umfang und Ausgestaltung die Übertragungsnetzbetreiber, je nach zu erwartender Reduktion erneuerbarer Erzeugung, entscheiden. Von diesen Ausgestaltungen hängt der Erfolg des Instrumentes wesentlich ab. In jedem Fall bietet eine jährlich durchgeführte Ausschreibung die Möglichkeit detailliert nachzusteuern, falls die benötigten Mengen zuschaltbarer Lasten nicht erreicht werden.

GWB

Die bereits im Regierungsentwurf enthaltene Ausweitung der verschärften kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht (§ 29 GWB) auf die Fernwärme sowie deren Verlängerung bis 2027 wurde in unveränderter Form angenommen. Damit werden die Möglichkeiten der zuständigen Kartellbehörden im Rahmen von Preismissbrauchsverfahren die Angemessenheit von Fernwärmepreisen zu überprüfen, verschärft. Im Fall der Anwendung eines solchen Verfahrens sind Versorger im Rahmen des sogenannten Vergleichsmarktkonzeptes verpflichtet, sachliche Gründe für Preisabweichungen gegenüber günstigeren Anbietern anzuführen. Der AGFW hatte in einer Stellungnahme dafür plädiert, von einer Erweiterung des § 29 GWB auf die Fernwärme abzusehen, um die notwendige Dekarbonisierung der Wärmenetze nicht zu behindern. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Kartellbehörden die Vorschrift anwenden werden. Im Strom- und Gassektor hatte die Vorschrift zuletzt keine praktische Bedeutung. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Kartellbehörden angesichts der derzeitigen Preisentwicklung auf dieses Instrument zurückgreifen werden.

Osterpaket

Das bereits Anfang März in Eckpunkten vorgestellte und im Mai vom Kabinett verabschiedete Osterpaket wurde nach intensiver parlamentarischer Beteiligung am vorletzten Sitzungstag vom Bundestag verabschiedet. Zwar liegt der Fokus des Pakets mit der Novellierung des EEG hauptsächlich auf dem Stromsektor, dennoch beinhaltet es auch für die Wärmebranche eine Menge Neuerungen.

KWKG

Das Paket enthält tiefgreifende Anpassungen am Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG). Der Gesetzeszweck hat eine entscheidende Änderung erfahren. An die Stelle des quantifizierbaren Zieles, einer angestrebten KWK-Strommenge, tritt die Formulierung, dass es Zweck des Gesetzes ist, „die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung […] zu unterstützen, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht.“

Ausgehend von diesem neu formulierten Gesetzesziel hält das neue KWKG 2023 einige Neuerungen bereit, die direkte Auswirkung auf den Betrieb neu zu errichtender aber auch bestehender KWK-Anlagen haben werden.

Ausschluss Biomethan

KWK-Strom, der auf Basis von Biomethan erzeugt wurde ist nicht länger zuschlagberechtigt. Hintergrund dieser Anpassung ist, dass Biomethan zukünftig vermehrt zur Deckung der auftretenden Spitzenlasten eingesetzt werden soll. Bislang ist jedoch unklar, ob die Regelung auch den anteiligen, bilanziellen Einsatz von netzbezogenem Biomethan betrifft. Sollte dies der Fall sein, werden Wärmenetzbetreiber, die bislang bilanzielles Biomethan einsetzen, um den Kunden niedrige Primärenergiefaktoren oder hohe erneuerbaren Anteile anzubieten, vor die Entscheidung zwischen KWK-Förderung und dem positiven Einfluss des eingesetzten Biomethans auf die energetischen Kennwerte gestellt.

Wasserstoff-Readiness

Neu zu genehmigende KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von mehr als 10 MW müssen ab Juli des kommenden Jahres die Fähigkeit zur Umstellung auf einen reinen Wasserstoffbetrieb nachweisen. Sie benötigen einen Nachweis, dass sie die Fähigkeit aufweisen, ab 2028 auf einen Betrieb mit 100 % Wasserstoff umgestellt werden zu können und dass die dafür notwendigen Investitionen bei maximal 10 % einer vergleichbaren Neuanlage liegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein Betrieb mit Wasserstoff ab diesem Datum verpflichtend ist. Ob und in welchen Anlagen der Brennstoff ab Ende des Jahrzehnts zum Einsatz kommt, wird ganz maßgeblich von der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff abhängen.

Die Novellierung stellt aber auch klar, dass es sich bei einer Umstellung auf Wasserstoff nicht um eine Modernisierung nach § 5 Nr. 2 KWKG handelt und die dafür anfallenden Investitionskosten somit nicht förderfähig sind. Darüber wie der Nachweis über die Erfüllung der kraftwerkseitigen Maßnahmen zu erbringen ist, gibt es bislang keine Information. Detaillierte Regelungen dazu sind im Laufe des verbleibenden Jahres zu erwarten.

Unterjährige Begrenzung

Die mit dem KWKG 2020 eingeführte unterjährige Begrenzung der förderfähigen Vollbenutzungsstunden wird über das Jahr 2025 hinaus fortgeschrieben. Bislang war lediglich vorgesehen, dass die förderfähigen Vollbenutzungsstunden (VBH) von derzeitig 5000 ab 2025 auf maximal 3.500 VBH gesenkt werden. In den Folgejahren wird dieser Wert nun jährlich um weitere 200 VBH reduziert, sodass in 2030, nur noch für 2.500 VBH Zuschlagszahlungen gezahlt werden. Anlagen können dennoch weiterhin auch darüber hinaus ohne Förderung betrieben werden. In der Praxis dürfte diese Fortschreibung der unterjährigen Begrenzung, die sowohl Neu- als auch Bestandsanlagen betrifft, zu einer Streckung der Zuschlagszahlungen führen.

Erklärtes Ziel dieser Maßnahme ist es, den flexiblen Anlagenbetrieb noch stärker anzureizen. Jedoch verkennt der Umfang der Begrenzung die energiewirtschaftliche Realität. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass KWK-Anlagen in einem angestrebten treibhausgasneutralen Stromsystem im Mittel optimalerweise etwa 3.300 VBH erreichen sollten.

GEG

Entgegen dem Kabinettsentwurf aus dem Frühjahr wurde auch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in das Osterpaket aufgenommen, anstatt es gesondert zu novellieren. Während der erste Entwurf aus dem April noch eine Verschärfung des Anforderungsniveaus auf das Effizienzhausniveau 55 vorgesehen hat, beschränkt sich die schlussendlich beschlossene Fassung lediglich auf eine primärenergieseitige Verschärfung. Während die Anforderungen an den maximalen Primärenergiebedarf ab dem 01.01.2023 um mehr als 20 Prozent auf 55 Prozent des Bedarfs eines Referenzgebäudes angehoben wurde, blieben die Anforderungen an den Transmissionswärmeverlust und damit an den baulichen Wärmeschutz unangetastet. Fernwärmekunden haben die Wahl die verschärften primärenergieseitigen Anforderungen entweder durch Anrechnung der niedrigen Primärenergiefaktoren (PEF) der Wärmenetze oder aber durch gebäudeseitige Maßnahmen wie verbesserte Dämmung oder Gebäudetechnik zu erfüllen.

Eine weitere für die Fernwärmebranche relevante Änderung im GEG ist die Absenkung des PEF für den Antriebsstrom von Großwärmepumpen (GWP) ab dem kommenden Jahr. Speist eine Wärmepumpe mit einer thermischen Leistung von mindestens 500 kW in ein Wärmenetz ein, kann statt des Faktors für Netzstrom von 1,8 ein PEF für den nicht erneuerbaren Anteil von 1,2 angesetzt werden. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit von Wärme aus GWP verbessert und der vermehrte Einsatz angereizt werden.

Ersatzkraftwerksbereithaltungsgesetz

Intensiv wurde auch bis zuletzt über das Ersatzkraftwerksbereithaltungsgesetz (EKWG) diskutiert (AGFW berichtete über den Stand der Diskussion). Ziel des Gesetzes ist es, den Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung zu begrenzen und stattdessen kohle- und ölgefeuerte Stromerzeugungsanlagen verstärkt einzusetzen. Die Regelungen, die Betreiber von Anlagen in der Netzreserve verpflichten die Betriebsbereitschaft der Anlagen wieder herzustellen und für einen befristeten Zeitraum am Strommarkt teilzunehmen, wurden nahezu unverändert übernommen.

Das Instrument zur Reduzierung des Erdgaseinsatzes im Stromsektor wurde während des parlamentarischen Prozesses jedoch entscheidend angepasst. Auf eine Pönalisierung von Erdgas zur Stromerzeugung wurde verzichtet. Stattdessen erhält die Bundesregierung mit Hilfe einer Verordnungsermächtigung die Befugnis Betrieb erdgasbasierte Stromerzeugungsanlagen entweder zu begrenzen oder sogar ganz auszuschließen. Davon explizit auszunehmen, sind „Anlagen, soweit darin Wärme erzeugt wird, die nicht dauerhaft auf andere Weise erzeugt werden kann“. Damit folgen die Parlamentarier der Forderung des AGFW und anderer Verbände die Rolle der KWK für die wärmeseitige Versorgungssicherheit zu berücksichtigen.

Was steht noch aus?

Aus dem angekündigten Sommerpaket werden sehr wahrscheinlich frühherbstliche Pakete und Maßnahmen. Auf der Agenda stehen u. a. ein Energieeffizienzgesetz, eine BEG-Novelle sowie Eckpunkte für eine Kommunale Wärmeplanung. Das Bundesprogramm Effiziente Wärmenetze (BEW), soll auf jeden Fall kommen, hier sind nur noch wenige Formalien mit den europäischen Behörden zu klären. Auch das Klimaschutzsofortprogramm für den Gebäudesktor steht noch aus. All diese Verzögerungen sind umso kritischer, da Sommerpaket und der Start des BEW die Weichen stellen müssen, um die Klimaziele des Gebäudesektors durch Dekarbonisierung und Ausbau der Wärmenetze zu erreichen.

Ihre Ansprechpartner
Johannes Dornberger
Energiewirtschaft & Politik
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