Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und ihre Bedeutung für die Fernwärme
Ziel der neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (englisch: Renewable Energy Directive, RED, 2018/2001) ist die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Transport bis zum Jahr 2030. Die Richtlinie wurde im Jahr 2023 von den gesetzgebenden EU-Institutionen überarbeitet (RED 2023). Die Novelle trat am 20. November 2023 in Kraft. Eine Umsetzung der zentralen Vorgaben in nationales Recht muss innerhalb von 18 Monaten, also bis zum 21. Mai 2025 erfolgen. Die überarbeitete RED sieht ein verbindliches Ziel von mindestens 42,5 % erneuerbarer Energien im Bruttoendverbrauch der Union im Jahr 2030 vor. Dabei hat die Europäische Kommission anerkannt, dass Wärme und Kälte Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende sind.
Dafür werden in Artikel 23 der RED konkrete und verbindliche Vorgaben zum Ausbau von erneuerbaren Energien und Abwärme bis 2030 für den Wärmemarkt definiert. Die Mitgliedstaaten werden dazu verpflichtet, den Anteil von erneuerbaren Energien im Wärmesektor jährlich um mindestens 0,8 Prozentpunkte (für den Zeitraum 2021-2025) bzw. 1,1 Prozentpunkte (für den Zeitraum 2026-2030) gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2020 zu erhöhen. Abwärme darf teilweise angerechnet werden, um bis zu 0,4 Prozentpunkte des benötigten Anstiegs pro Jahr. Diese verbindlichen Zielvorgaben aus Art. 23 gelten auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten, nicht trennscharf für einzelne Unternehmen.
Artikel 24 der RED ist der Fernwärme gewidmet. Der europäische Gesetzgeber erkennt das enorme Dekarbonisierungspotenzial der Fernwärme für den Wärmesektor an und definiert spezifische Regeln zur Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien für unsere Branche. Nach Art. 24 Abs. 4 wird ein durchschnittlicher jährlicher Anstieg von 2,2 Prozentpunkten des Anteils von erneuerbaren Energien oder Abwärme in der Fernwärme von 2021 bis 2030 gefordert. Die geforderte Erhöhung gilt für die Fernwärme nur indikativ, also nicht bindend – anders als für den Wärmesektor allgemein. Diese unverbindlichen Zielvorgaben für die Fernwärme gelten als Sektorziel auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten, nicht trennscharf für einzelne Unternehmen oder Netze. Auch erneuerbare Elektrizität darf voll auf die erneuerbare-Energien-Ziele angerechnet werden, technologieneutral für die Fernwärme und ohne Begrenzung des Wirkungsgrads. Es sind also alle Formen von Power-to-Heat (PtH) erlaubt, sowohl (Groß-) Wärmepumpen als auch Elektrodenkessel oder andere Anwendungen.
Ein zentrales Thema von Artikel 24 RED ist die Dritteinspeisung von Wärme aus erneuerbaren Quellen oder Abwärme in Fernwärmesysteme. Die EU positioniert sich in Abs. 4b diesbezüglich eindeutig: Es gibt keine verpflichtende Einführung von Drittzugangsregelungen für die Fernwärme. Fernwärmeversorgungsunternehmen (FVU) mit einem Fernwärmenetz über 25 MW thermische Anschlussleistung sollen von den Mitgliedstaaten lediglich zum Drittzugang „angehalten“ werden. Und auch dies gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen, sofern sie die Nachfrage neuer Kunden decken oder vorhandene Erzeugungskapazitäten ersetzen oder erweitern. Außerdem können FVU nach Abs. 5 den Wunsch nach Drittzugang zu ihren Netzen aus verschiedenen Gründen verweigern. Ablehnungsgründe sind u.a. keine freien Kapazitäten wegen bestehender Einspeisung von EE oder Abwärme im Netz; Wärme des Drittanbieters erfüllt nicht die technischen Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb des Netzes; Dritteinspeisung würde zu übermäßiger Kostensteigerung im Vergleich zur bestehenden Versorgung führen; das bestehende Fernwärmesystem ist effizient nach Art. 26 der EU- Energieeffizienzrichtlinie (EED).
Zudem wurden in Art. 24 Abs. 1 RED ausführlichere Informationspflichten für Fernwärmekunden über die energetische Qualität der Wärmelieferung eingeführt. Demzufolge müssen der prozentuale Anteil von erneuerbaren Energien im Wärmemix, die benötigte Energie für eine an den Endnutzer gelieferte Wärmeeinheit sowie die Gesamtenergieeffizienz an Letztverbraucher ausgewiesen werden.
Darüber hinaus haben Kunden von FW-Systemen, die keine effizienten Systeme in Sinne des Art. 26 der EED sind, nach Art. 24 Abs. 2 RED das Recht auf Kündigung oder Änderung des Vertrages, um Wärme aus erneuerbaren Quellen selbst zu produzieren. Sofern die Kündigung mit der physischen Abkoppelung des Kunden vom FW-Netz verbunden ist, sieht die RED die Möglichkeit einer Entschädigung des FW-Netzbetreibers für die direkt mit der Abkoppelung verbundenen Kosten sowie der nichtabgeschriebenen Kosten vor, die mit der Lieferung der Wärme an diesen Kunden verbunden sind. Die aktuell national geltende Regelung nach § 3 Abs. 3 AVBFernwärmeV (Vertragsanpassung) widerspricht hier dem EU-Recht und erlaubt weitreichendere Vertragsanpassungsrechte für FW-Kunden.
Die Mitgliedstaaten können schließlich entscheiden, den größten Teil der Vorschriften des Art. 24 nicht anzuwenden, wenn der Anteil der effizienten FW-Systeme über 90 % aller Systeme ausmacht, was in Deutschland der Fall ist. Das betrifft aber gemäß Art. 24 Abs. 10 RED nicht die Pflicht zur Kundeninformation.
Eines der zentralen Themen der RED 2023 stellte schließlich die Diskussion zur Einordnung von Biomasse als erneuerbare Energie dar. Das EU-Parlament beabsichtigte die energetische Nutzung von (Holz-)Biomasse stark zu beschränken. Damit wäre die Förderung von Biomasse für die Energieerzeugung sowie die Anerkennung von Biomasse für die erneuerbare-Energien-Ziele der EU deutlich beschränkt worden. Dementgegen setzten sich die EU-Mitgliedstaaten im Rat und zahlreiche Energieverbände, darunter der AGFW, vehement ein – mit Erfolg! Biomasse zählt nach Art. 29 RED weiterhin uneingeschränkt als erneuerbare Energie und kann von Unternehmen und Mitgliedstaaten vollständig als erneuerbar angerechnet werden. Dafür wurden jedoch die Regelungen hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien und Treibhausgaseinsparungen bei der energetischen Nutzung von Biomasse verschärft.
Die Position des AGFW zur Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie finden Sie hier.