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Unklare Transparenzvorgaben nach § 1a AVBFernwärmeV sorgen für Rechtsunsicherheit

23.07.2024
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat kürzlich über zwei Urteile berichtet, die er gegenüber Fernwärmeversorgungsunternehmen wegen vermeintlicher Verstöße gegen Transparenzvorgaben erwirkt hat. „Beide Verfahren illustrieren das Kernproblem, das der Gesetzgeber lösen muss, wenn er Regelungen zur Transparenz der Fernwärmeversorgung aufstellt“, erklärt Dr. Norman Fricke, AGFW-Bereichsleiter Recht und Europa.

„Zum einen muss er einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse des Kunden und dem Umsetzungsaufwand schaffen, der den Fernwärmeversorgungsunternehmen aus diesen Verpflichtungen entstehen. Darüber hinaus müssen die Regelungen möglichst klar und präzise gestaltet werden, damit die Fernwärmeversorgungsunternehmen wissen, was von ihnen genau verlangt wird. Die Gerichtsverfahren zeigen, dass die im Jahr 2021 hektisch eingeführte Regelung des § 1a AVBFernwärmeV diesen Anforderungen nicht genügt.“

Der erste Fall betrifft Informationen über die Wärmenetzverluste. Das betroffene Unternehmen hat auf Grundlage des § 1a Abs. 2 AVBFernwärmeV die absoluten Wärmeverluste ausgewiesen. Der vzbv hat verlangt, dass das Unternehmen darüber hinaus Angaben zur Wärmenetzeinspeisung und zur Wärmeabgabe mache. Nur mit diesen weiteren Kennziffern hätten interessiere Kunden die Wärmeverluste mit anderen Netzen vergleichen können. Dies beruht auf der Überlegung, dass aus dem Verhältnis zwischen den absoluten Wärmenetzverlusten und der Wärmenetzeinspeisung die relativen Netzverluste errechnet werden können. Erst diese Kennziffer erlaubt einen sachgerechten Vergleich der Wärmeverluste.

„Vor diesem Hintergrund weist der AGFW-Hauptbericht seit jeher die relativen Netzverluste der deutschen Fernwärmebranche als maßgeblichen Parameter aus. Sind Verbraucherschutz und Gerichte der Auffassung, die Vorschrift müsse einen Vergleich der Netzverluste zwischen den Fernwärmeversorgungsunternehmen ermöglichen, hätte es nahegelegen, dies sogleich in der maßgeblichen Rechtvorschrift des § 1a Abs. 2 AVBFernwärmeV anzuordnen. Stattdessen hat der Gesetzgeber eine sprachlich missglückte Regelung getroffen, die den Rechtsanwender vor die kaum zu lösende Frage stellt, zu wie vielen Angaben er zur rechtskonformen Information über die Netzverluste verpflichtet wird“, so Dr. Fricke.

Vor dem Hintergrund der mehrdeutigen Vorschrift werde in der energierechtlichen Fachliteratur aufgezeigt, dass je nach Rechtsverständnis zwei, drei oder vier Parameter maßgeblich sind. Unabhängig von der diffizilen Rechtsfrage hat die Fernwärmebranche das Problem dadurch behoben, indem auf der Fernwärme-Preistransparenzplattform Angaben über die absoluten und die relativen Wärmeverluste gemacht werden. Nicht angegeben werden jedoch Daten über die Netzeinspeisung und über die an die Kunden abgegebene Gesamtwärmemenge. Diese Daten bringen dem Kunden erstens keinen Mehrwert. Zweitens bergen sie die Gefahr, dass der interessierte Kunde der Informationsflut überdrüssig wird.

Der zweite Fall betrifft die Frage, ob Fernwärmeversorgungsunternehmen verpflichtet sind, von ihren eigenen Websites auf Internetseiten von Institutionen zu verlinken, die Preisindizes oder Preisnotierungen veröffentlichen, sofern deren Indizes und Notierungen Bestandteil von Fernwärme-Preisänderungsklauseln sind. So müssen nach § 1a Abs. 1 AVBFernwärmeV Fernwärmeversorgungsunternehmen ihre Preisänderungsklauseln samt eindeutiger Verweise auf die Quellen der Indizes im Internet veröffentlichen. Mit dieser Bestimmung soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt werden, dass die Preisänderungsklauseln nicht mehr nur allein im Wege der öffentlichen Bekanntgabe via Tagespreise publiziert, sondern auch im Internet veröffentlicht werden. Daraus folgt aber nach der Auffassung des AGFW nur die Vorgabe, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen die ihren Preisänderungsklauseln zugrunde liegenden Preisindizes und -notierungen so eindeutig definieren und entsprechend öffentlich und im Internet bekanntmachen, dass der Kunde die in Bezug genommenen Daten recherchieren kann. Nicht daraus abgeleitet werden kann jedoch eine Verpflichtung, wonach die Versorger einen direkten Zugang zu den Quellen durch Verlinkungen schaffen müssen. Eine solche Verpflichtung wäre für Versorger unzumutbar, da sie dann sowohl administrativ als auch rechtlich Verantwortung für den Ort der Veröffentlichung von Daten tragen würden, obwohl sie darauf keinen Einfluss haben.

Beide Regelungen gehen zurück auf ein außergewöhnliches Verfahren zur Novelle der AVBFernwärmeV. Seinerzeit wollte die Bundesregierung nur die FFVAV einführen – eine besondere Rechtsverordnung zur Regelung von Mess- und Abrechnungspflichten. Der Bundesrat hat jedoch dieses Verfahren genutzt, um auch Änderungen der AVBFernwärmeV durchzusetzen, darunter den § 1a AVBFernwärmeV. Dabei bestand aber keine Gelegenheit mehr zu einer Verbändeanhörung, in der auf entsprechende Unklarheiten hätte hingewiesen werden können. „Dieses Versäumnis müssen nunmehr die Fernwärmeversorger ausbaden“, so Dr. Fricke. „Der Gesetzgeber hat im Rahmen der anstehenden AVBFernwärmeV die Möglichkeit, die missglückte Regelung klarzustellen.“

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