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BGH entscheidet erneut zu Fernwärme-Preisgleitklauseln und bestätigt Branchenpraxis

16.05.2022
Der BGH hat mit Urteil vom 6. April 2022 erneut Stellung zu Fernwärme-Preisgleitklauseln genommen. Er hat dabei insbesondere entschieden, dass Grundpreisänderungsklauseln zur Abbildung der Material- und Lohnkostenentwicklung sich an den Investitionsgüterindex sowie an einen energiewirtschaftsbezogenen Lohnindex des Statistischen Bundesamtes koppeln dürfen. Damit wurde eine langjährige Empfehlung des AGFW bestätigt.

Der BGH hat mit Urteil vom 6. April 2022, Az. VIII ZR 295/20, erneut zu Fernwärme-Preisgleitklauseln Stellung genommen. Die Entscheidung beruht auf einem Rechtsstreit zwischen Fernwärmekunden, die im sog. Schweizer Viertel – einem Berliner Quartier – wohnen und einem Energiedienstleister, der Fernwärme, die er von einem Vorlieferanten bezieht, an seine Kunden weiterleitet. Ursprünglich knüpfte der Energiedienstleister die Arbeitspreisgleitklausel des Versorgungsvertrags unmittelbar an die Preisentwicklung des Bezugsvertrags. Nachdem diese Klausel aus verschiedenen Gründen von Berliner Instanzgerichten als unzulässig beurteilt wurde, stellte der Energiedienstleister seine Arbeitspreisgleitklausel zum 1. Mai 2019 um. In der Sache ging es zum einen darum, ob der Energiedienstleister zur Umstellung der Klausel berechtigt ist, zum anderen, ob die neue Arbeitspreisgleitklausel ebenfalls unwirksam ist und womöglich auf die Wirksamkeit der Gleitklausel für den Bereitstellungspreis (sprich: Grundpreis) ausstrahlt – also die gegebenenfalls unwirksame Arbeitspreisgleitklausel auch die Grundpreisgleitklausel zu Fall bringen kann, obwohl diese wirksam ist.

In Anschluss an sein Urteil vom 26. Januar 2022 (dazu AGFW-Aktuell 13/22 vom 13. April 2022) hat der BGH entschieden, dass der Energiedienstleister berechtigt war, die Arbeitspreisgleitklausel auf Grundlage des § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV im Wege der öffentlichen Bekanntgabe anzupassen, weil sich die ursprüngliche Klausel als unwirksam erwiesen hat. Ob die neue Arbeitspreisgleitklausel ihrerseits den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV gerecht wird, muss nun das Berliner Kammergericht prüfen, an das der BGH den Fall zurückverwiesen hat.

Zweitens hat der BGH wichtige Aussagen zur Gestaltung der Grundpreisgleitklausel getroffen. Da der Grundpreis zur Abgeltung der Investitions- und Vorhaltekosten des Fernwärmeversorgers dient, darf die Grundpreisgleitklausel folgerichtig an die Entwicklung der Lohn- und Materialkosten anknüpfen. Diese Kostenpositionen repräsentieren maßgeblich die für die Instandhaltung und den Betrieb des Wärmenetzes anfallenden Kosten. Erstmals hat der BGH geurteilt, dass ein Lohnindex des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 17 Reihe 4.3), der auf Tarifverdienste für Arbeitnehmer im Wirtschaftszweig der Energie- und Wasserversorgung Bezug nimmt, geeignet ist, die Lohnentwicklung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens nachzuvollziehen. Damit bestätigt der BGH die langjährige AGFW-Empfehlung (AGFW, Fernwärme-Preisgleitklauseln, S. 89). In seinen früheren Entscheidungen hat das Gericht diese Frage noch offengelassen. Einmal mehr hat es indes festgestellt, dass der sog. Investitionsgüterindex des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 17, Reihe 2, lfd. Nr. 3) geeignet ist, die Materialkostenentwicklung abzubilden, weil in diesen Index auch die Kosten für die Anschaffung und Instandhaltung von Rohranlagen, Pumpen und Kraftwerksanlagen einfließen. Damit knüpft der BGH insoweit an sein Urteil vom 13. Juli 2011, Az. VIII ZR 339/10, an und bestätigt ebenso die branchenweite Praxis (AGFW, Fernwärme-Preisgleitklauseln, S. 87). Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass in die Grundpreisgleitklausel kein Marktelement aufzunehmen ist. Diese beruht darauf, dass sich die Instandhaltungs- und Betriebskosten des Fernwärmesystems unabhängig von den Verhältnissen auf dem Wärmemarkt entwickeln.

Drittens hat der BGH klargestellt, dass Grundpreis- und Arbeitspreisgleitklausel hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unabhängig voneinander zu beurteilen ist. Das bedeutet, dass die Unwirksamkeit einer Preisgleitklausel nicht automatisch zur Unwirksamkeit auch der anderen führt. Dies begründet das oberste Zivilgericht damit, dass sich der Wärmepreis aus mehreren Preisbestandteilen zusammensetzt, mit denen unterschiedliche Leistungen des Fernwärmeversorgers vergütet werden. Während mit dem Arbeitspreis die konkret vom Kunden abgenommene Wärmemenge vergütet wird, werden mit dem Grundpreis die Investitions- und Vorhaltekosten des Versorgers abgegolten.

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