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Der Europäische Wiederaufbau und die Wärmewende: Deutschland droht den Anschluss zu verlieren

10.05.2021
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren bis Ende April aufgerufen, ihre nationalen Investitionspläne im Rahmen des europäischen Wiederaufbauprogramms vorzulegen.

Im Rahmen des Europäischen Investitionsprogramms NextGenEU waren die europäischen Mitgliedstaaten aufgerufen, bis Ende April ihre nationalen Investitionspläne für den Wiederaufbau vorzustellen. Gerade der von Deutschland vorgelegte Plan (DARP) ist dabei jedoch auf besonders breite Kritik gestoßen, da die Bundesregierung entgegen den vorausgegangenen Empfehlungen der Kommission Investitionen in die nationale Wärmewende und insbesondere in den Ausbau von Wärmenetzen eklatant vernachlässigt. Der AGFW hatte diese Vernachlässigung des Wärmesektors im DARP bereits im März kritisiert und sich in einem Brief mit konkreten Anpassungsvorschlägen an die Länder gewandt, der auf teilweise sehr positive Resonanz gestoßen war.

Dabei zeigt ausgerechnet das Beispiel des italienischen Aufbauplans, dass es durchaus auch anders geht. Während sich Deutschland damit begnügt, durch die Umfinanzierung bestehender Programme alten Wein in neue Schläuche zu füllen, hat Italien ein ambitioniertes eigenständiges Reformprogramm für den Wärmemarkt vorgelegt, in dem Ausbau und Transformation der Wärmenetze im urbanen Kontext eine zentrale Rolle spielen sollen. Dabei ist allein für den Fernwärmeausbau ein Budget von 200 Mio. € vorgesehen. Geplant ist hierbei der Bau von 330 km Fernwärmeleitungen, was mehr als 7 % der bisherigen Trassenlänge entspricht, und Leitungen zur Anbindung von hocheffizienter KWK, erneuerbaren Energien sowie Abwärme. Die Fördermittel sollen zu 65 % in den Netzausbau (Kosten: 1,3 Mio. €/km) und zu 35 % in den Bau neuer Anlagen (Kosten 0,65 Mio. €/MW) fließen. Überschlagen auf den fast sechsmal größeren deutschen Fernwärmemarkt, wäre das italienische Programm dabei gleichbedeutend mit einem relativen Fördervolumen von fast 1,2 Mrd. Euro für den deutschen Sektor, wodurch sich der Vergleich zum zwar lange angekündigten, aber noch immer nicht umgesetzten deutschen BEW geradezu aufdrängt.

Während sich die Verhandlungen zum BEW jedoch weiter hinziehen, hat die italienische Regierung ihr Förderprogramm innerhalb weniger Monate aufgesetzt und erfolgreich zum Abschluss gebracht. Hinzu kommt, dass Italien im Unterschied zu Deutschland nicht ohnehin bereits bestehende Programme umetikettiert, sondern die Mittel der Wiederaufbaufazilität komplementär zu bereits bestehenden Programmen zum Einsatz bringen wird.

Die Ambitionslosigkeit des DARP verdeutlicht dabei also erneut, wie sehr Deutschland mittlerweile auch im europäischen Vergleich den Anschluss bei der Wärmewende zu verlieren droht. Sollte die Genehmigung der Wiederaufbaupläne nun wie geplant innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden und die Auszahlung der Mittel bereits ab August beginnen, könnte die italienische Fernwärmeförderung das deutsche BEW auf den letzten Metern des Genehmigungsprozesses sogar noch überholen. Damit wäre die Bundesregierung mit ihrer klimapolitischen Bilanz im Wärmesektor wohl endgültig düpiert.


 

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