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Verwaltungsgericht Freiburg: unwirksamer Anschluss- und Benutzungszwang bei Differenzierung zwischen erneuerbaren Energien i.S.d

07.09.2021
Das VG Freiburg hat mit Urteil vom 16. Juni 2021 festgestellt, dass eine Satzungsbestimmung wegen unzureichender Befreiungsmöglichkeiten vom angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang gegen höherrangiges Recht verstößt, soweit sie ohne sachlichen Grund zwischen erneuerbaren Ernergien i.S.d. § 2 EEWärmeG und Ersatzmaßnahmen gem. § 7 EEWärmeG differenziert.

Das VG Freiburg hat mit Urteil vom 16. Juni 2021 festgestellt, dass eine Satzungsbestimmung wegen unzureichender Befreiungsmöglichkeiten vom angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang gegen höherrangiges Recht verstößt, soweit sie ohne sachlichen Grund zwischen erneuerbaren Ernergien i.S.d. § 2 EEWärmeG und Ersatzmaßnahmen gem. § 7 EEWärmeG differenziert.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Supermarktes. Sie beantragte bei der beklagten Gemeinde die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (ABZ). Die Klägerin möchte Abwärme von Kühlmöbeln für die Beheizung des Gebäudes nutzen. Durch die anfallende Abwärme der Gewerbekälte könne mehr als 50 % der Heizlast gedeckt werden. Die mit Kältemittel betriebenen Wärmepumpen würden mit einem Strommix betrieben, welcher in der Erzeugung weniger CO2-Emissionen produziere als die Bereitstellung der Fernwärme durch die Beklagte. Aufgrund der gesamten Umstände sei ein zusätzlicher Anschluss an das Fernwärmenetz für die Klägerin ökologisch und technisch nicht sinnvoll.

Die Beklagte hat den Befreiungsantrag u. a. deshalb abgelehnt, weil die Satzung Befreiungen nur für erneuerbare Energien im Sinne des § 2 Abs. 1 EEWärmeG zulasse, nicht aber für Abwärme, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EEWärmeG lediglich als Ersatzmaßnahme zugelassen wurde. Sie sei nicht zur Erteilung einer Befreiung verpflichtet, wenn dies für sie wirtschaftlich unzumutbar wäre. Bei einer Befreiung der Klägerin entstünden der Beklagten jährliche Mindererlöse i. H. v. 10.000,00 Euro, die sie nicht auf die anderen Wärmenutzer umlegen könne und dürfe. Ferner bestünde bei einer Befreiung der Klägerin die Gefahr, dass andere gewerbliche Wärmenutzer aufgrund des Gleichbehandlungsgebots ebenfalls vom ABZ befreit werden müssten. Ein unzureichender Anschlussgrad würde das Fernwärmeversorgungssystem der Beklagten erheblich gefährden, da dieses nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könne.

 

Das VG Freiburg hielt die Beschränkung der Befreiung auf erneuerbare Energien für gleichheitswidrig. Die Satzung hätte ebenso Befreiungen für Ersatzmaßnahmen zulassen müssen. Diese wurden bereits nach § 7 EEWärmeG der Nutzung von erneuerbaren Energien gleichgestellt (Erfüllungsfiktion). Gleiches ergebe sich erst Recht aus dem neuen § 42 GEG.

Darüber hinaus leitete das Gericht aus § 3 S. 3 AVBFernwärmeV ab, dass auch Wärmepumpen „ganz offensichtlich“ als erneuerbare Energien gelten. Diese Lesart ist jedoch abzulehnen, da sich bei Auslegung des § 3 S. 3 AVBFernwärmeV noch keine gefestigte Ansicht in Bezug auf Wärmepumpen etabliert hat (vertiefend Hempel/Franke, § 3 AVBFernwärmeV Rn. 32). Des Weiteren beruft sich das Gericht auf das Umweltbundesamt, dem zufolge effiziente elektrische Wärmepumpen gegenüber allen anderen Heizungssystemen quasi konkurrenzlos beim Heizen von Neubauten und gut sanierten Bestandsbauten seien, wenn elektrischer Strom auf nachhaltige Weise aus erneuerbaren Energien produziert werde. 

Das Urteil des VG Freiburg präsentiert leider einmal mehr den gerichtlichen Trend, ABZ im Fernwärmebereich abzulehnen. Diese Sichtweise lässt die Folgenwirkungen solcher Befreiungen von ABZ auf das gesamte System unberücksichtigt: Das mehrfach vorgetragene Vorbringen der Beklagten, der Satzungszweck des Klimaschutzes könne nur mit einer bestimmten Anschlussdichte erreicht werden, wurde nicht hinreichend gewürdigt. Beim Satzungserlass ist der Satzungsgeber davon ausgegangen, dass alle Gebäude im Satzungsgebiet angeschlossen werden. Auf deren Wärmebedarf beruhend wurden die Erzeugung und Verteilung optimiert geplant. Machen Fernwärmekunden, vor allem Großkunden, von den Befreiungsregelungen Gebrauch werden die Anlagen des Versorgers überdimensioniert sein und können nicht mit ökonomisch sowie ökologisch optimaler Fahrweise betrieben werden. Ferner wird nicht bedacht, dass die Fernwärme ihrerseits aus erneuerbaren Energien, Abwärme oder KWK stammt und es keinen Vorteil für die Umwelt gibt, wenn sich die Kunden durch Eigenlösungen befreien können.

 

Zu guter Letzt ist auch anzumerken, dass insbesondere Baden-Württemberg inzwischen die kommunale Wärmeplanung verpflichtend eingeführt hat, §§ 7c, 7d Klimaschutzgesetz BW. Gem. 7d  müssen Kommunen Wärmepläne i. S. d. § 7c erstellen, der u.a. für das gesamte Gebiet der jeweiligen Gemeinde ein klimaneutrales Szenario für das Jahr 2050 mit Zwischenzielen für das Jahr 2030 zur zukünftigen Entwicklung des Wärmebedarfs und einer flächendeckenden Darstellung der zur klimaneutralen Bedarfsdeckung geplanten Versorgungsstruktur darstellt. Dieser landesgesetzgeberische Wille scheint bei den örtlichen Gerichten noch nicht angekommen zu sein.

 

 

 

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