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BGH: Neue Urteile zur Gestaltung von Fernwärme-Preisänderungsklauseln

28.11.2023
Einmal mehr hat der Bundesgerichtshof (BGH) über Fernwärme-Preisänderungsklauseln im Verfahrenskomplex „Neues Schweizer Viertel“ geurteilt. Die kürzlich veröffentlichten Entscheidungen vom 27. September 2023 (Az. VIII ZR 249/22 und Az. VIII ZR 263/22) sorgen für Klarheit in weiteren Punkten – insbesondere hinsichtlich der Abbildung der Marktverhältnisse sowie der Gestaltung des Kostenelements bei Wärme-Vorbezug.

Erstmals überhaupt hat der BGH Stellung zur Frage genommen, durch welchen Index der Wärmemarkt im Sinne des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV abgebildet werden kann. Bereits mehrfach hat das Gericht in genereller Hinsicht festgestellt, dass sich das sog. Marktelement nicht lediglich auf einen örtlichen oder auf das Marktsegment der Fernwärme verengten Wärmemarkt beziehe, sondern auch andere Energieträger erfasse. Nunmehr bekennt der BGH Farbe: Diesen Anforderungen trage der sog. Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes Rechnung, da er den Wärmemarkt in seiner Gesamtheit hinreichend abbilde, und zwar unter Einschluss der derzeit wichtigsten Heizsysteme (VIII ZR 249/22 Rn. 32). Das sind insbesondere Gas- und Ölzentralheizungen sowie Fernwärmeanschlüsse. Bekanntlich hat der AGFW seit jeher die Verwendung dieses Indexes zur Abbildung der Marktverhältnisse empfohlen (AGFW, Fernwärme-Preisänderungsklauseln, 2015, S. 110 zum Vorläufer-Index „Zentralheizungsindex“). Diese Praxis wurde nunmehr höchstrichterlich bestätigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Marktverhältnisse zwingend durch den Wärmepreisindex zu repräsentieren sind. Anderweitige Gestaltungsvarianten sind auch zulässig, sofern sie die Marktverhältnisse angemessen abbilden.

Außerdem befasste sich der BGH mit der Frage, wie das Kostenelement und das Marktelement in der Arbeitspreisänderungsklausel zueinander zu gewichten sind. In den vorliegenden Verfahren hatte der Versorger beide Elemente jeweils hälftig gewichtet. Dagegen hatte der BGH keine Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Gewichtung nicht sachgerecht sei, wurden weder von den Prozessparteien aufgezeigt noch seien sie sonst ersichtlich, so der BGH (VIII ZR 249/22 Rn. 37). Auch diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass Kosten- und Marktelement zwingend gleichwertig zueinander zu gewichten sind. Der AGFW empfiehlt seit jeher eine Untergewichtung des Marktelementes (AGFW-Preisänderungsklauseln, 2015, S. 113). Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sich der Arbeitspreis zu stark von der Kostenentwicklung des Unternehmens lösen würde. Das hätte insbesondere zur Folge, dass sich der Arbeitspreis zulasten des Kunden übermäßig erhöhen würde, würden die Preise auf dem Wärmemarkt stärker steigen als die Kosten des Versorgers (zu diesem Problem zuletzt AGFW-Aktuell 36/23 vom 22. November 2023 aus Anlass der Untersuchungen des BKartA).

Darüber hinaus nahm der BGH die Gestaltung des Kostenelements in den Blick, wenn der Fernwärmeversorger die Wärme nicht selbst erzeugt, sondern von einem Vorlieferanten bezieht. Auch hier hat das Gericht bereits mehrfach entschieden, dass die im Endkundenvertrag verwendete Preisänderungsklausel die Entwicklung der Wärmebezugskosten, also die Kosten für den Einkauf der Wärme, angemessen berücksichtigen müssen. Das kann einmal dadurch geschehen, dass die Endkundenklausel die im Bezugsvertrag vereinbarten Preisanpassungsparameter der Arbeitspreisänderungsklausel entsprechend aufgreift (Preisindizes bzw. Preisnotierungen; Gewichtung dieser Parameter). Außerdem – so nunmehr der BGH – ist es denkbar, dass der Preis des Vorlieferanten unmittelbar aufgenommen wird. Dadurch werde sichergestellt, dass sich die Endkundenpreise des Wärmelieferanten stets im Verhältnis zu den eigenen Kosten für den Einkauf der Wärme entwickeln (VIII ZR 249/22 Rn. 35).

Damit steht für die Vertragspraxis nunmehr eine weitere Gestaltungsvariante zur Verfügung, die es ermöglicht, dass der Arbeitspreis des Bezugsvertrags unmittelbar in der Fernwärme-Preisänderungsklausel als Kostenelement aufgenommen wird. Das erspart im Einzelfall die Implementierung einer komplexen Vorbezugsformel. Voraussetzung bleibt jedoch nach wie vor, dass die Verfahrensweise beim Rückgriff auf den Vorbezugspreis eindeutig und nachvollziehbar ist. In den vom BGH entschiedenen Fällen war dies vergleichsweise einfach, weil der Vorlieferant eigenständige Vertragsbeziehungen zu Fernwärmekunden unterhält und dessen Fernwärmepreise veröffentlicht worden sind.

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